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Wärme der Zukunft

Interview
Geothermie als Lösungsbaustein der Wärmewende
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Zur Person

Gregor Götzl ist seit 19 Jahren im Bereich der Geothermie tätig. Bisher arbeitete er an der Geologischen Bundesanstalt, die im Jänner 2023 mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zur GeoSphere Austria fusionierte. Zudem ist Gregor Götzl seit 2019 im Verein Geothermie Österreich tätig, welchen er mitgegründet hat. Seit Mai 2023 arbeitet Götzl nun bei der EVN Wärme GmbH, wo er für die Entwicklung der Geothermie zuständig ist.

„Geothermie muss in Österreich schnellstmöglich als Energierohstoff anerkannt werden!“

In Österreich gibt es bereits einige Geothermie-Anlagen zur Wärmeproduktion. Vor allem ist das Potential für die tiefe Geothermie sehr groß. Doch zuvor müssen die regulatorischen Rahmenbedingungen geklärt werden – im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energien gibt es für die Geothermie noch keine gesetzlichen Regelungen und das muss so rasch wie möglich nachgeholt werden.

Stand: Juli 2023

Wie kann die Umsetzung der Geothermie gelingen und welche Vorteile hat diese? Die Anfangsinvestitionen dieser neuen Technologie sind ja relativ hoch.
Das ist richtig. Aber prinzipiell ist es bei der Geothermie so, dass die Kosten des Gesamtlebenszyklus auf die Investitionskosten am Anfang verschoben werden. Dafür sind später die Betriebskosten sehr gering und wenn die Anlage einmal läuft, ist diese sehr stabil. Ich vergleiche das immer gerne mit einem Tesla – man muss anfangs viel investieren, aber dann hat man sehr niedrige Betriebskosten. Ein weiterer bedeutender Vorteil gegenüber anderen erneuerbaren Energien ist, dass Geothermie keiner Volatilität unterliegt und man nur wenig Hilfsenergie benötigt. Weiters ist besonders hervorzuheben, dass sich Geothermie auch sehr gut für die mittel- und langfristige Speicherung von Wärme eignet, und das ist ein essenzieller Punkt für die Etablierung erneuerbarer Energien. Natürlich muss man sich langfristig attraktive Lösungen für die Kund:innen überlegen, um die Investition zu ermöglichen. Dafür gibt es auch schon einige gute Ansätze.

Eine Möglichkeit, um die Kosten und das Risiko zu minimieren, wäre die Schaffung einer gesicherten Datengrundlage, um herauszufinden welche Gegenden in Österreich für die Geothermie geeignet sind. Wie kann dies ermöglicht werden?
Für einzelne Regionen in Österreich gibt es bereits sehr viele Daten aus der jahrzehntelangen Öl- und Gasexploration, die auch für die Geothermie genutzt werden könnte. Diese müsste man nur noch durch zusätzlichen Erkundungsmaßnahmen ergänzen. Auch hat die GeoSphere Austria bereits viele Daten gesammelt, publiziert und – was sehr wichtig ist – durch fachkundige Personen interpretieren lassen.

Besonders aufwendig ist die tiefe Geothermie in 2.500 bis 4.500 Metern unter der Erde. Hier ist der Ausschöpfungsgrad auch noch sehr gering. Gibt es Neuerungen, die die Umsetzung erleichtern könnten?
In Zukunft wird man nicht mehr darauf angewiesen sein, natürliches heißes Wasser in der Tiefe zu finden. Man wird geschlossene Tiefenwärmetauscher anweden. So haben die Bohrungen automatisch ein geringeres Risiko, und die Erdwärme kann großräumiger genutzt werden.

Was muss noch hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen getan werden, damit die Geothermie schnellstmöglich umgesetzt werden kann?
Hier muss noch sehr viel geschehen. Was bisher noch gänzlich fehlt, ist die rechtliche Anerkennung der Geothermie als „Energierohstoff“. Derzeit ist es in Österreich sogar immer noch so, dass Öl und Gas rechtlich bessergestellt sind als Geothermie. Um das zu ändern, möchte auch der Verein mithelfen, damit die Rechtsmaterie angepasst wird und die Geothermie als Energierohstoff anerkannt wird. Ich persönlich würde mir wünschen, dass es ein eigenes Geothermie Erschließungsgesetz gibt.

Ein weiterer Punkt ist die lange Dauer der Verfahren. Gibt es hier Einsparungspotential?
Vor allem bei der tiefen Geothermie ist die Verfahrenslänge besonders lang und die Entwicklungszeit liegt insgesamt bei etwa 7-10 Jahren. Bei der oberflächennahen Geothermie geht es schneller, jedoch sind hier die Größen der Anlagen limitiert. Zuerst sollten die Genehmigungsverfahren vereinheitlicht werden. Derzeit ist es so, dass man von drei verschiedenen Behörden einen positiven Bescheid benötigt. Hier wäre es wünschenswert, wenn das gebündelt und vereinfacht werden würde. So könnte sehr viel Zeit eingespart werden – natürlich dürfen aber im Zuge dessen die in Österreich vorherrschenden Umwelt- und Sicherheitsstandards nicht reduziert werden.

Auf welche Weise hat die Geothermie Auswirkungen auf unsere Umwelt?
Wenn die Methoden richtig angewendet werden, gibt es gar keine Auswirkungen auf die Umwelt. Es treten weder Verunreinigung auf, noch wird Lebensraum zerstört. Wenn die Bohrungen jedoch nicht ordentlich durchgeführt werden, kann salzhaltiges Tiefenwasser in trinkbares Grundwasser eindringen. Weiters können Mikrobeben ausgelöst werden, da die Geothermie oft im Bereich von sogenannten geologischen Störungen, also Bruchzonen im Untergrund, durchgeführt wird. In dem Bereich gab es in den letzten zehn Jahren glücklicherweise sehr viel Forschung, und man kann damit nun schon viel besser umgehen.

Auch der Ausbau der Geothermie wird vom Fachkräftemangel betroffen sein. Was kann dagegen getan werden?
Es ist sehr wichtig, dass wir sofort beginnen die nötigen Fachkräfte aufzubauen. Leider ist es so, dass nicht nur die Fachkräfte fehlen, sondern es gibt auch zu wenig Dienstleister. Wichtig wäre eine maßgeschneiderte Ausbildung sowohl im Bereich der  Lehrausbildungen, als auch in der höheren Ausbildung. Ich träume immer davon, dass es einmal ein Studium an der Fachhochschule gibt, wo man das Berufsbild des/der Erdwärmeplaner:in bzw. Erdwäremeinstallateur:in und dergleichen anbietet. Derzeit gibt es diesbezüglich noch gar keine Möglichkeit auf den Fachhochschulen – hier gibt es einen großen Nachholbedarf!

Sie haben sich erst vor Kurzem beruflich verändert. Welche ersten Ziele möchten Sie nun in Ihrem neuen Berufsfeld erreichen?
Ja genau, ich arbeite seit Mai 2023 bei der EVN Wärme GmbH. Meine ersten Schritte werden es sein herauszufinden, wie die Geothermie in Niederösterreich etabliert werden kann. Dann müssen gute Demonstrationsanlagen geschaffen werden, die zum Nachahmen anregen.

Wie sehen Sie die Zukunft der Geothermie im Österreich? Wird uns Geothermie dabei helfen können, unsere Klimaziele zu erreichen?
Da bin ich mir sicher. Ein bedeutender Vorteil von Geothermieanlagen ist es, dass diese einen geringen Flächenbedarf haben, da sich der wichtigste Teil der Anlage unter der Erde befindet und sich so sehr gut in die Landschaft integrieren können. Ich sehe die Zukunft der Geothermie in der kommenden Dekade vor allem im Wärmesektor, wo ein erheblicher Teil der derzeit fossil bereitgestellten Heizenergie sowohl im Wohnbereich als auch im gewerblichen und industriellen Niedertemperaturbereich bis ca. 120°C durch das Portfolio geothermischer Anwendungen substituiert werden kann.  Langfristig kann ich mir auch vorstellen, dass Geothermie zur Deckung eines kleinen, aber dennoch signifikanten Anteil an grundlastfähiger Elektrizität bereitstellen kann.