Klimafonds
Dossier
Wärme der Zukunft

Gastkommentar
Die Transformation der (Fern-)Wärme
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Zur Person

Dr.-Ing. Ralf-Roman Schmidt ist seit 2009 beim AIT tätig und als Senior Research Engineer verantwortlich für Projekte im Bereich Fernwärme und Integrierte Energiesysteme mit einem Fokus auf der Entwicklung von Dekarbonisierungs-strategien. Er nimmt Schlüsselpositionen in internationalen Netzwerken ein. Nach Abschluss des Studiums der Produktionstechnik (Verfahrenstechnik/ Maschinenbau) an der Universität Bremen im Jahre 2005 promovierte er 2013 im Bereich Thermofluiddynamik.

„Technisch ist viel gelöst, jetzt geht es um die breite Umsetzung!“

Wie die Integration von Wärmepumpen, Abwärme, Solar- und Geothermie sowie Umgebungswärme gelingen kann.

Stand: Juli 2023

Der österreichische Wärmebedarf wird aktuell zu rund einem Viertel durch netzgebundene Wärmesysteme – also städtische Fernwärmenetze und ländliche Nahwärmenetze – gedeckt, bei denen der Anteil erneuerbarer Energiequellen lediglich bei knapp der Hälfte liegt.

Ein Großteil der erneuerbaren Wärmenetze wird, speziell am Land, mit Hackschnitzel oder Pellets betrieben. Jedoch steht der Einsatz von Holz als Energiequelle für Gebäudewärme zusehends in Diskussion und wird in Zukunft durch strengere Nachhaltigkeitskriterien noch stärker in Frage gestellt werden.

Große städtische Fernwärmenetze in Wien, Graz, Linz und Salzburg basieren neben der Müllverbrennung und Abwärme aus industriellen Produktionsprozessen hauptsächlich auf fossilen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK). Da ein Ersatz der fossilen durch erneuerbare Brennstoffe nur sehr begrenzt möglich sein wird und gleichzeitig eine steigende Nachfrage nach klimaneutraler Fernwärme zu erwarten ist, werden erhebliche Mengen an alternativen Wärmequellen wie Wärmepumpen, Abwärme, Solar- und Geothermie benötigt, um die Wärmeversorgung klimafreundlich zu sichern. Um diese grundlegende Wandlung der Wärmenetze zu erreichen, sind tiefgreifende Änderungen notwendig.

Temperatur senken, Effizienzen steigern
Ein wichtiger Hebel liegt in der Optimierung des Gebäudebestands. Ein grundlegendes Problem ist, dass die Temperaturniveaus der Heizsysteme in vielen Gebäuden zu hoch sind, um Wärmenetze mit alternativen Wärmequellen wirtschaftlich zu betreiben. Eine mögliche Lösung hierfür wären Anreizsysteme, wie sie im skandinavischen Raum bereits umgesetzt werden. Hier können Gebäudeeigentümer:innen einen Bonus auf ihre Fernwärmerechnung bekommen, wenn sie Gebäudeoptimierung zur Senkung der Temperaturen im Heizkreislauf durchführen.

Platz für Speicher schaffen
Es ist davon auszugehen, dass Wärmenetze im Sommer zunehmend ein Überangebot an Wärme haben werden, aus der Abwärme der Kühlung von Gebäuden, Supermärkten, Rechenzentren, sowie von industriellen Prozessen und aus Geothermie. Um diese Wärme vom Sommer in den Winter zu bringen, werden große Flächen in und außerhalb von Städten benötig, auf denen Speicher gebaut werden, die in großen Städten die Größe von Fußballstadien haben können.

Prosumer im Wärmenetz
Vergleichbar zu den Energiegemeinschaften im Strombereich können auch Wärmeenergiegemeinschaften angedacht werden. Die einfachste Lösung stellt hier die Nutzung von regional erzeugtem Ökostrom für Wärmepumpen dar, deren Wärme dann in ein lokales Wärmenetz eingespeist wird. Viele der ländlichen Wärmenetze werden als Genossenschaft betrieben und sind jedoch nur in eine Richtung, vom Heizwerk zum Verbrauchenden, gedacht. Eine dezentralisierte Lösung unter Beteiligung von Bürger:innen und Nutzung von lokalen Wärmequellen ist noch umzusetzen.

Think global, act local
Strom- und Gasnetze ermöglichen bereits jetzt den überregionalen Austausch von Energie in ganz Österreich. Überregionale Fernwärmenetze können in Zukunft mehrere lokale Wärmenetze, Großverbraucher und alternative Wärmequellen sowie Speicher verbinden. Hierbei können einerseits erhebliche Größenvorteile erzielt werden: z.B. sind Geothermie-Bohrungen bei größerem Energiebedarf wirtschaftlich sinnvoller als kleine. Andererseits ermöglichen solche Netze, Potentiale außerhalb der städtischen Ballungszentren zu erschließen und den Lastenausgleich zwischen den Regionen zu realisieren.

Resilienz und Stabilität
Wenn im Winter die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, werden Heizkraftwerke mit Kraft-Wärmekopplung erneuerbare Brennstoffe wie Biomasse, Biogas oder Wasserstoff nutzen können, um gleichzeitig Strom und Wärme zu erzeugen. Andererseits werden Großwärmepumpen in Zeiten eines hohen Stromangebots aus Wind und Photovoltaik günstig Wärme erzeugen können. Somit kann die Energieversorgung durch die Fernwärme langfristig gesichert und kostengünstig gestaltet werden.