TRANSFORMATION GESTALTEN

WARUM INVESTITIONEN IN EINE NACHHALTIGE ZUKUNFT WICHTIGER SIND DENN JE

Die Energiewende und der Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaftsstruktur verlangen langfristiges Denken und entschlossenes Handeln – auch in bewegten Zeiten.
Dr. Christian Kimmich, Senior Researcher am Institut für Höhere Studien (IHS), spricht darüber, welche Voraussetzungen es braucht, damit Transformation gelingen kann – und welche Chancen sich daraus für Österreich ergeben.

Dr. Christian Kimmich, Senior Researcher am Institut für Höhere Studien (IHS), im Gespräch
Österreich verfügt über sehr innovative Industrien, insbesondere auch im Mittelstand.
Dr. Christian Kimmich

Herr Dr. Kimmich, wenn Sie auf die aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen blicken: Welche Faktoren prägen derzeit den Weg Österreichs zur Klimaneutralität?

Dr. Kimmich: Österreich hat sehr gute Voraussetzungen für eine kostengünstige Transformation des Energiesystems, weil mit einem hohen Anteil der Wasserkraft und Gasspeichern bereits ideale Bedingungen gegeben sind. Diese physischen Rahmenbedingungen waren ein sehr guter Ausgangspunkt für den Ausbau der Erneuerbaren. Dazu kam dann auch eine breite gesellschaftliche Unterstützung für eine aktive Klimapolitik angesichts der erwartbaren Kosten zukünftiger Klimaschäden. Zum Glück war der Ausbau der Erneuerbaren Energien dann bereits voll im Gange, als wir mit der Energiekrise konfrontiert waren. Sonst wäre die Beschleunigung der letzten zwei Jahre wohl kaum möglich gewesen.
Zuletzt hat sich die wirtschaftliche Lage stark gewandelt, die Energiekrise hat strukturelle Probleme sichtbar gemacht, die Konkurrenz aus Asien gerade im Bereich der grünen Technologien hat enorm zugenommen, viele Geschäftsmodelle und volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen müssen angepasst werden. Die zukünftige Versorgungssicherheit, die Resilienz unserer Infrastrukturen und das wirtschaftliche Potenzial grüner Technologien sind dabei zentrale Zieldimensionen.

Welche Überlegungen sollten bei der Planung und Umsetzung nachhaltiger Investitionen gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten eine Rolle spielen?

Dr. Kimmich: Wir müssen mit den knappen verfügbaren Mitteln möglichst effektiv haushalten. Die Effektivität sollte dabei alle wichtigen Zieldimensionen im Blick haben, neben Klimaschutz auch Versorgungssicherheit und Leistbarkeit. Sonst ist die breite gesellschaftliche Akzeptanz schnell gefährdet. Je nach Gewichtung anderer externer Kosten, der Versorgungssicherheit oder der sozialen Akzeptanz und gesellschaftlichen Teilhabe, können auch Maßnahmen effizient sein, die relativ hohe CO2-Vermeidungskosten mit sich bringen. Auch die Rolle und Bedeutung volkswirtschaftlicher Investitionen muss neu durchdacht werden.

Wo sehen Sie Österreichs besondere Stärken, wenn es um die Umsetzung von nachhaltigen Innovations- und Transformationsprojekten geht?

Dr. Kimmich: Österreich verfügt über sehr innovative Industrien, insbesondere auch im Mittelstand. Darunter etwa die Gebäudetechnik, Steuerungs- und Regelungstechnik oder Technologien der Bioökonomien. Vieles sind Vorleistungen mit einem hohen Exportanteil. Die starke internationale Verflechtung birgt auch Risiken in der aktuellen geopolitischen Lage. Umso wichtiger erscheinen eine starke europäische Integration und Diversifizierung. Da ist Österreich gut aufgestellt.

Was sind aus Ihrer Sicht zentrale Voraussetzungen, damit Investitionen in grüne Technologien langfristig Wirkung entfalten können – wirtschaftlich wie gesellschaftlich? 

Dr. Kimmich: Auch für die langfristige Wirkung ist eine gemeinsame europäische Strategie essenziell. Eine effiziente Skalierung grüner Technologien ist – gerade mit Blick auf den globalen Wettbewerb – nur auf europäischer Ebene mit entsprechend großen Märkten und zukünftig auch einem einheitlichen Kapitalmarkt möglich.
Mit seinem innovativen Mittelstand bringt Österreich eine Vielzahl grüner Technologien hervor. Da spielen einheitliche Standards und offene Schnittstellen eine wichtige Rolle, fördern dann den Wettbewerb in Europa und die Auswahl der besten Technologien in jedem Segment. Oftmals fehlt aus meiner Sicht aber vor allem der Schritt bis zum Massenmarkt, der die Technologien für alle zugänglich, beliebig kombinierbar und einfach steuerbar macht.

Was sind Voraussetzungen, damit Investitionen in grüne Technologien langfristig Wirkung entfalten können?

Dr. Kimmich: Auch für die langfristige Wirkung ist eine gemeinsame europäische Strategie essenziell. Eine effiziente Skalierung grüner Technologien ist nur auf europäischer Ebene mit entsprechend großen Märkten und zukünftig auch einem einheitlichen Kapitalmarkt möglich. Österreich bringt eine Vielzahl grüner Technologien hervor. Da spielen einheitliche Standards und offene Schnittstellen eine wichtige Rolle. Oftmals fehlt aus meiner Sicht aber vor allem der Schritt bis zum Massenmarkt, der die Technologien für alle zugänglich, beliebig kombinierbar und einfach steuerbar macht.

Wenn wir auf das Jahr 2040 vorausblicken: Welche Entwicklungen könnten entscheidend sein, damit Österreich eine führende Rolle im Bereich der nachhaltigen Transformation einnimmt?

Dr. Kimmich: Da würde ich gerne mit den gesellschaftlichen Voraussetzungen beginnen. Nur wenn wir eine zu starke Polarisierung verhindern, wird die Transformation gesellschaftlich breit getragen. Und diese Unterstützung brauchen wir: bei den Fachkräften, den Innovationen und Investitionsentscheidungen sowie auf Haushaltsseite. Dabei sollte auch die Vielfalt und Diversifizierung der Transformation eine Rolle spielen. Es gibt ja nicht nur einen Weg der Transformation. Wenn die Windkraft beispielsweise stark polarisiert und der Ausbau zu Widerstand führt, dann könnten neben neuen Beteiligungsformen auch andere Energiequellen in den Blick genommen werden. Wenn sich eine Region entscheidet, selbst weniger Energie zu produzieren, dann sollte sie sich die Frage stellen, welche Energieimporte die Lücken abdecken können. Das könnte beispielsweise den Blick auf überregionale Kooperationen und beispielsweise auf Wasserstoff lenken. Österreich spielt ja durch seine zentrale geographische Lage bei der Gasversorgung eine wichtige Rolle, die zukünftig auch durch Wasserstoffversorgung an Bedeutung gewinnen kann.

Welche besonderen Chancen sehen Sie für grüne Innovationen in Österreich im internationalen Vergleich?

Dr. Kimmich: Ich möchte da ungern einzelne Technologien herausgreifen. Gleichzeitig ist das kein rein privatwirtschaftlicher Entdeckungsprozess. Forschungseinrichtungen, Infrastrukturen und Regionen sind zentrale Mitspieler. Wahrscheinlich besteht die Chance Österreichs gerade darin, mit den richtigen Verknüpfungen aller Stakeholder erfolgreiche Industrie-Ökosysteme zu schaffen.

Was kann der Wirtschaft gelingen, wenn die grüne und digitale Transformation erfolgreich verläuft? Und umgekehrt: Welche wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Risiken drohen, wenn die Transformation verzögert wird?

Dr. Kimmich: Inzwischen haben sich die meisten Länder auf den Weg der grünen und vor allem auch der digitalen Transformation begeben. Wenn man die Märkte der Transformation mit eigenen Produkten mit hohem inländischem Wertschöpfungsanteil bedienen kann, ist man natürlich klar im Vorteil. Das Problem ist, dass Europa inzwischen nicht nur bei den marktdominierenden Technologien, sondern auch bei der Forschung zu zukünftigen kritischen Technologien, gemessen an vielzitierten Publikationen, weit abgeschlagen hinter China und den USA liegt. Dazu gibt es entsprechende Analysen des Australian Strategic Policy Institute. Wahrscheinlich muss auch die Forschung auf europäischer Ebene stärker integriert werden.

Welche Möglichkeiten gibt es, die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort und den Arbeitsmarkt so zu gestalten, dass sie Innovation ermöglichen und gleichzeitig soziale Ausgewogenheit wahren? Wie kann die Bevölkerung mitgenommen werden?

Dr. Kimmich: Der europäische Mechanismus für einen gerechten Übergang hat zum Ziel, eine möglichst breite gesellschaftliche Teilhabe an der Transformation zu erreichen. Das ist mit Sicherheit ein zentraler Hebel, um einer Polarisierung entgegenzuwirken.
Ich würde den Blick aber eher noch auf Entscheidungsträger:innen in Wirtschaft und Politik lenken, die beispielsweise die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Energieversorgung oder Klimapolitik erheblich beeinflussen können. Wie können die richtigen Entscheidungen unter Unsicherheit getroffen werden? Das ist momentan aus meiner Sicht die größte Herausforderung. Die Unsicherheit kann auch lähmen. Wenn Entscheidungen abgestimmt und koordiniert werden, könnte das auch Risiken reduzieren.

Was würden Sie Entscheidungsträger:innen und Bürger:innen mitgeben, wenn es darum geht, auch unter schwierigen Bedingungen an einer nachhaltigen Zukunft zu arbeiten?

Dr. Kimmich: Gerade schwierige Bedingungen können eine Chance sein, mit neuen Ansätzen und Zielen an einer nachhaltigen Zukunft zu arbeiten. Die Energiekrise hat die Transformation auf jeden Fall beschleunigt. Auch Reflexion und Innehalten sind wichtig, um die Möglichkeiten verschiedener nachhaltiger Zukünfte auszuloten.