Klimafonds
Dossier
Soziale Innovationen

Statement
„Soziale Innovationen haben große Potenziale“
  zurück
Zur Person

Günter Schuh war bis vor Kurzem Amtsleiter und Energiebeauftragter der Gemeinde Lichtenegg, die eine von vier Fallstudien-Regionen im Projekt „SINNergyTRANS“ war. Aktuell betreibt er ein eigenes Ingenieurbüro für Heiz-Klima-Lüftung-Sanitär (HKLS)-Planungen und -Bauleitungen. Er ist zudem im BeraterInnen-Pool der Energieberatung NÖ.

„Es braucht energieschonendes und nachhaltiges Handeln in allen Lebensbereichen, damit auch unsere Kinder und Enkelkinder in einer lebenswerten Umgebung aufwachsen können und nicht die Folgen des Klimawandels voll abbekommen.“

Warum ist die Energiewende so wichtig? Was können soziale Innovationen dazu beitragen und welches Potenzial haben sie insbesondere für kleine ländliche Gemeinden? Wir haben Changemaker Günter Schuh um Antworten gebeten.

Stand: Jänner 2021

Herr Schuh, Sie waren viele Jahre hinweg Amtsleiter und Energiebeauftragter von Lichtenegg und konnten in der Zeit innerhalb der Gemeinde einige wichtige Energiesparmaßnahmen umsetzen. Warum ist die Energiewende aus Ihrer Sicht so wichtig?
Sie ist nicht wichtig, sondern unumgänglich! Wir spüren schon jetzt die Auswirkungen des Klimawandels stark, die Temperaturen steigen immer weiter, die Zahl der Umweltkatastrophen nimmt zu und längst ist die Entwicklung auch in Zahlen eindeutig messbar. Es ist zu befürchten, dass sich der Klimawandel in den kommenden Jahren weiter beschleunigen wird, und wenn wir nicht durch energieschonenderes und nachhaltiges Handeln in allen Lebensbereichen massiv gegensteuern, werden unsere Kinder und Enkelkinder in einer Umwelt aufwachsen, die mit der Umwelt aus unserer Kindheit nicht mehr viel zu tun hat. Es ist also höchste Zeit etwas zu tun, um zu retten, was noch zu retten ist.

Welche Maßnahmen konnten in Lichtenegg in den vergangenen Jahren dahingehend konkret realisiert werden?
Es ist uns zum Beispiel gelungen, unsere Schule thermisch zu sanieren. Der Heizbedarf sank dadurch von 400 Megawattstunden (MWh) jährlich auf unter 100 MWh, also auf weniger als ein Viertel des ursprünglichen Bedarfs, was natürlich auch finanziell deutlich zu spüren ist. Auch bei anderen Gebäuden konnten wir Alternativlösungen realisieren, weshalb heute in Lichtenegg kein gemeindeeigenes Gebäude mehr fossil beheizt, sondern vielmehr auf Biomasse und Solarthermie gesetzt wird. Nun wäre es aber wichtig, den positiven Schwung dieser Entwicklung auch in den privaten Bereich mitzunehmen, um Privatpersonen den Umstieg auf andere Heizlösungen, thermische Sanierungen und andere Mobilitätslösungen schmackhaft zu machen.

Was können soziale Innovationen dazu beitragen?
Da gäbe es sicherlich einige spannende Ansätze, soziale Innovationen haben große Potenziale. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, dass ein Photovoltaikprojekt mit BürgerInnenbeteiligung bei vielen GemeindebewohnerInnen großen Anklang finden würde. Eine entsprechende Potenzialanalyse wurde jedenfalls bereits erstellt. Ob und wie viele BürgerInnen bei einer Umsetzung dann tatsächlich mitmachen, hängt aber wohl vor allem von den Kosten ab. Wenn da unter dem Strich ein finanzieller Vorteil rausschaut, dann wären sicher genügend Menschen dabei und es könnte gemeinsam wieder ein Puzzleteil in Richtung einer erfolgreichen Energiewende gesetzt werden.

In Lichtenegg wurden in der Vergangenheit bereits soziale Innovationen im Verkehrsbereich initiiert, oder?
Genau, wir haben kürzlich ein Elektro-Carsharing-Projekt gestartet. Am ersten September-Wochenende 2020 gab es dazu einen „Gemeindewandertag“, an dem sich BürgerInnen gemeinsam in der Natur bewegen und auch eine Probefahrt mit einem Elektroauto machen konnten. Initiiert und geleitet wird dieses Projekt von der Klimaenergiemodellregion (KEM) „Bucklige Welt-Wechselland“, in der schon mehrere derartige Projekte umgesetzt wurden. Der Manager der KEM hat das Projekt dann auch noch bei einem weiteren Termin in der Gemeinde vorgestellt. Schlussendlich haben sich neben mir selbst auch noch zehn weitere Personen gemeldet, die beim Carsharing mitmachen wollen. Als nächster Schritt ist nun geplant, dass die Gemeinde das Auto ankauft und zur Verfügung stellt. Um eine optimale Auslastung zu erreichen, sollen auch Gemeindebedienstete das Fahrzeug für Dienstfahrten nutzen.

Was würden Sie jemanden raten, der oder die eine soziale Innovation in einer ländlichen Gemeinde wie Lichtenegg starten möchte?
Zuerst braucht man natürlich eine gute Idee, mit der ein bestehendes Problem gelöst werden kann. Wichtig ist, dass man diese Idee dann ordentlich durchdenkt, auf Vor- und Nachteile hin überprüft und herauszufinden versucht, ob sie tatsächlich eine Verbesserung mit sich brächte. Danach sollte man versuchen eine politische Instanz von der Idee zu überzeugen: Wenn beispielsweise der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin sowie GemeinderätInnen hinter dem Projekt stehen, lässt sich dieses deutlich einfacher realisieren. Wenn es dann darum geht auch andere für das Vorhaben zu gewinnen, braucht es gutes und leicht verständlich aufbereitetes Informationsmaterial. Das allerwichtigste sind aber engagierte MitstreiterInnen, die nicht nur dabei helfen, die Umsetzung voranzutreiben, sondern auch die Idee besser zu machen.