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Klimafit Wirtschaften

Interview
„Unternehmen wandeln Risiken in Chancen um“
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Stefan Ropac kam 2019 vom Climate Change Centre Austria (CCCA), wo er als Netzwerk-Koordinator tätig war, als Programmmanager Klima & Wirtschaft zum WWF und ist bei der Natur- und Umweltschutz-organisation auch Leiter der WWF CLIMATE GROUP.

„Je früher sich die Wirtschaft der Klimakrise stellt, desto mehr kann sie ihre Zukunft noch selbst gestalten.“

Stefan Ropac ist Experte für unternehmerischen Klimaschutz beim WWF Österreich. Ein Gespräch über das gewaltige Klimaschutzpotenzial von Unternehmen, innovative ökonomische Zukunftsbilder und wie uns eine vielfältige Natur dabei hilft, das Klima zu stabilisieren.

Stand: Mai 2023

Herr Ropac, wie sind österreichische Unternehmen von der Klimakrise betroffen?
Durch die fortschreitende Klimaerhitzung und die zunehmende Verknappung natürlicher Ressourcen geraten immer mehr Ökosysteme an ihre Belastungsgrenzen. Wir nehmen schneller, als die Natur geben kann, und wir emittieren mehr CO2, als die Wälder und Meere wieder absorbieren können. Die natürlichen Systeme der Erde sind dadurch an ihrem Limit. Artensterben, Naturzerstörung und Klimakrise sind an der Tagesordnung. Das hat verheerende Folgen auf uns Menschen und unser Wirtschaftssystem, die beide auf stabile und gesunde Lebensräume angewiesen sind. Neben der Klimakrise tritt zudem auch die Biodiversitätskrise immer mehr in den Vordergrund. Beide Krisen hängen stark zusammen und können sich auch gegenseitig verstärken.

Wie verstärken?
Das Klima und die biologische Vielfalt des Planeten sind untrennbar miteinander verbunden. Veränderungen in einem System bewirken daher Rückkopplungseffekte in dem anderen. Das lässt sich am Beispiel der tropischen Regenwälder oder auch europäischen Feuchtgebiete und Moore erklären. Sie sind Heimat einer Unzahl an Arten und Lebensräumen. Als funktionierende Ökosysteme speichern sie gleichzeitig sehr viel CO2. Steigt die Temperatur weiter, können sich viele Pflanzen und Tiere nicht anpassen und verlagern ihre Lebensräume oder sterben aus. Geschwächt verlieren diese Ökosysteme neben ihrem Wert als Lebensraum auch ihren Wert als CO2-Speicher.

Anders gesagt: Die Klimakrise wird damit weiter angeheizt.
Genau. Wir sehen bereits jetzt die Auswirkungen der Klimakrise und des Biodiversitätsverlusts – auch in Österreich: Gletscher schmelzen, und die Winter werden immer wärmer. Der Wintertourismus leidet. Im Sommer folgen lange Dürrephasen und häufig intensive Unwetter. Große Mengen an Wasser treffen dabei in kürzester Zeit auf teils völlig vertrocknete Böden, die kein Wasser aufnehmen können. Überschwemmungen, Fluten und Hangrutschungen gefährden menschliche Siedlungsräume und Infrastruktur wie Schienen, Stromversorgung oder Wohnbauten. Auch die Wirtschaft ist betroffen. Durch ihre Geschäftstätigkeit ist sie jedoch gleichzeitig ein zentraler Treiber dieser Veränderungen und direkt oder indirekt für einen Großteil der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich.

Ist unter den sich massiv ändernden Gegebenheiten eine positive wirtschaftliche Entwicklung überhaupt noch möglich?
Für alle komplexen Systeme kann eine zu schnelle Änderung der Umgebungsbedingungen große Probleme bedeuten. Das betrifft ökologische Systeme, technische oder gesellschaftliche Systeme ebenso wie ökonomische Systeme. Aktuell beschleunigt das menschliche Verhalten die Änderungsgeschwindigkeit der Umgebungsbedingungen durch ihr eigenes Handeln massiv. Die Geschwindigkeit, in der sich die Systeme anpassen müssen, nimmt immer mehr Fahrt auf. Gleichzeitig steigt die Gefahr einer ungebremsten Erderhitzung, welche für uns Menschen und das Leben auf Erden tödlich ist. Zusammengefasst: Nichts zu tun, würden wir teuer bezahlen! Vor allem jetzt, denn noch ist es nicht zu spät, um durch rasches und konsequentes Vorgehen der Politik und der Wirtschaft die schlimmsten Folgen einer ungebremsten Erderhitzung zu stoppen.

Was wäre ein sinnvoller Weg?
Mit ihrer Reaktionsschnelligkeit und Innovationsfähigkeit, Finanzstärke und Multiplikationskraft besitzen Unternehmen das Potenzial, notwendige Transformationsprozesse schnell voranzutreiben und erfolgreich zu meistern. Emissionsreduktionen sind zu einer wirtschaftlichen Überlebensnotwendigkeit geworden. Für Wirtschaftreibende ist eine massive Reduktion des CO2-Ausstoßes und eine nachhaltige Ressourcen-Nutzung das Gebot der Stunde.

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Aktiv werden für ein klimafreundliches Morgen: Mit wissenschaftsbasierten Methoden übernehmen Unternehmen ihren Teil der Verantwortung für ein stabiles Klima und damit für eine lebenswerte Zukunft. © Shutterstock

Unternehmen können also Teil der Lösung sein?
Sie können nicht nur – die Wirtschaft ist sogar ein unverzichtbarer Teil der Lösung und trägt eine große Verantwortung für Natur und Umwelt. Stellen sich Unternehmen dieser Herausforderung, können aktuelle Risiken in Geschäftschancen verwandelt werden, um langfristig als Gesellschaft und Wirtschaft davon zu profitieren.

Warum sollten sich österreichische Unternehmen mit dieser Herausforderung beschäftigen?
Immer mehr Unternehmen erkennen die Risiken, welche durch die Erderhitzung entstehen. Sie sehen die Notwendigkeit zu handeln, um langfristig erfolgreich und zukunftsfähig zu bleiben. Zusätzlich wird diese Notwendigkeit durch neue Regularien auch für eine immer größere Anzahl an Unternehmen zur Verpflichtung. Mit der EU Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) werden Sorgfaltspflichten und Berichterstattungspflichten implementiert, die auch die Umweltauswirkungen von Unternehmen erfassen und bewerten. Finanzinstitute müssen, ausgelöst durch die EU-Taxonomie, ebenfalls die „grünen“ Anteile ihrer Investments und Produkte erheben, darstellen und ausweiten. Dadurch wächst auch der Bedarf an konkreten Emissionsdaten von Unternehmen am Markt.

Was bedeutet das konkret?
Zuliefernde, Kunden:innen und bei Finanzierungen auch Finanzinstitute brauchen diese Emissionszahlen und deren Reduktion, um ihre eigenen Klimaziele zu erreichen. Aus diesem Grund mehren sich die Anfragen an Unternehmen in diesem Bereich. Die in Österreich in Kraft getretene CO2-Steuer ist zusätzlich ein finanzieller Anreiz, sich mit der Reduktion der Emissionen ernsthaft auseinanderzusetzen.

Das klingt fast so, als wären die meisten Unternehmen bereits auf einem guten Weg in die richtige Richtung?
Das Pariser Klimaschutzabkommen gibt ein klares Ziel vor, welches es zu erreichen gilt. Was jedoch häufig fehlt ist das Know-how, wie Unternehmen eine umfassende Dekarbonisierung im Kerngeschäft schnell und wirksam umsetzten können. Reduktionspotentiale entlang der gesamten Wertschöpfungskette werden nicht ausgeschöpft. Das führt dazu, dass die globalen CO2-Emissionen kontinuierlich weiter steigen. Wettbewerbschancen und Marktinnovationen gehen verloren. Doch das muss nicht so sein. Es gibt wirksame, wissenschaftsbasierte Methoden für Unternehmen.

Welchen strategischen Ansatz empfehlen Sie Unternehmen, die sich neu auf den Weg zur Emissionsreduktion machen?
Die Science Based Target Initiative (SBTi) ermöglicht es Unternehmen, wirksamen Klimaschutz zu verfolgen. Dabei setzt der NetZero-Zielpfad auf die zentrale Verantwortung von Unternehmen, ihre Emissionen wissenschaftsbasiert im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel des Weltklimaabkommens zu reduzieren.

Infografik Führungskräfte

Problem und Lösung in einem: Die Wirtschaft ist für einen Großteil der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Unternehmen sind daher ein unverzichtbarer Teil der Lösung zur Eindämmung der Klimakrise und für eine lebenswerte Zukunft auf dem Planeten.

Wie läuft das im Detail?
Folgt ein Unternehmen dem „Call to Action“ verpflichtet es sich, innerhalb von zwei Jahren ein wissenschaftsbasiertes Ziel einzureichen. Die Berechnung der jeweiligen Reduktionsziele kann durch unterschiedliche Ansätze erfolgen, welche je nach individuellen Bedürfnissen des Unternehmens ausgewählt werden. Nach einer Prüfung durch die Initiative werden die eingereichten Ziele offiziell anerkannt und das Unternehmen beginnt mit der Umsetzung. Der Entwicklungsprozess eines wissenschaftsbasierten Emissionsreduktionszielpfads liefert dem Unternehmen wertvolle Impulse und verdeutlicht zentrale Handlungsfelder der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie. Aktuell haben sich bereits beinahe 4.500 Unternehmen weltweit der Initiative angeschlossen.

Welche Geschäftschancen ergeben sich daraus für Unternehmen?
Ambitionierter Klimaschutz durch Science Based Targets bringt deutliche wirtschaftliche Vorteile mit sich. Diese helfen Kosten zu reduzieren, Innovationen voranzutreiben und die Profitabilität zu steigern. Sie minimieren Klimarisiken für das Unternehmen und erhöhen das Vertrauen von Stakeholdern sowie Investoren. Eine aktuelle Studie zeigt einen klaren positiven Zusammenhang zwischen Klimaschutz und Geschäftsergebnis: Unternehmen mit veröffentlichten, wissenschaftsbasierten Emissionsreduktionszielen erwirtschaften innerhalb von zwölf Monaten einen besseren Kapitalertrag als jene ohne. Weiters gaben in einer Umfrage 63 Prozent der befragten CEOs an, dass das Setzen von Science Based Targets zu mehr Innovation im Unternehmen geführt hat.

Wann sollten Unternehmen damit starten?
Jetzt! Denn für Unternehmen ist es selbstverständlich sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen und strategisch zu handeln. Je früher sich die Wirtschaft der Klimakrise stellt, desto mehr kann sie ihr Zukunftsbild noch selbst gestalten. Unternehmen, die sich dieser Herausforderung jetzt stellen, erhalten die Möglichkeit, klimafit und damit zukunftsfähig zu wirtschaften.