Klimafonds
Dossier
Klimafit Wirtschaften

Thema
Wege in eine lebenswerte Zukunft

Unternehmen stehen vor der großen Herausforderung einer klimafreundlichen Transformation ihrer Geschäftsmodelle, die gleichzeitig nachhaltiges Unternehmenswachstum gewährleisten sollen. Eine wissenschaftsbasierte Klimaschutzstrategie liefert dafür Lösungen – und bietet Wettbewerbsvorteile.

Stand: Mai 2023

Die Wissenschaft ist sich einig: Um die globale Erhitzung auf maximal 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen und damit die immer dramatischeren Auswirkungen der fortschreitenden Klimakrise zu stoppen, braucht es entschlossenes Handeln. Nur mit konsequenten, sofortigen Maßnahmen auf allen Ebenen können die Treibhausgas-Emissionen im notwendigen Ausmaß gesenkt werden. Nur so können wir eine lebenswerte Umgebung erhalten.

Für Industriestaaten wie Österreich bedeutet das eine große Herausforderung: Sie müssen einerseits den Endenergieverbrauch massiv reduzieren und anderseits die erneuerbaren Energien naturverträglich ausbauen. Nur mit massiven Fortschritten in beiden Bereichen lassen sich Emissionen auf Netto-Null senken und ein Gleichgewicht zwischen in die Atmosphäre emittierten und wieder aus der Atmosphäre entfernten Treibhausgasen herstellen. Bis 2050 muss Österreich dafür seine Emissionen auf nur noch zehn Prozent des heutigen Niveaus senken – die Wirtschaft eingeschlossen.

Photovoltaikanlage Haus des Meeres

Artenschutz trifft Klimaschutz: Wiens erstes Solardach am Haus des Meeres treibt die Energiewende in der Stadt weiter voran. © WWF/Christian Fischer

Die Zeit drängt
Bereits jetzt sind die Folgen der Klimakrise in ihrer Größe und Wucht spürbar – und die Auswirkungen auf die Gesellschaft und das Wirtschaftssystem verändern sich immer schneller. Grund dafür ist die zunehmende Verknappung natürlicher Ressourcen, die Belastung ökologischer Systeme sowie die fortschreitende Erderhitzung. Und der Trend ist anhaltend.

Alleine im vergangenen Jahrzehnt waren die Treibhausgasemissionen global höher als je zuvor. Die Wirtschaft ist durch ihre Geschäftstätigkeit der zentrale Treiber dieser Entwicklung, und direkt oder indirekt für einen Großteil der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich. Auch in Österreich befinden sich die Emissionen seit 1990 auf einem Allzeithoch. Dabei ist seit 2010 in allen wichtigen Sektoren ein Anstieg messbar. Strukturelle und langfristige Veränderungen zur wirksamen Reduktion der Treibhausgase sind trotz dieser Entwicklung aber Mangelware.

„Wirksamer Klimaschutz im Unternehmen verfolgt eine ganzheitliche Strategie, reduziert Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, investiert freiwillig in Klima- und Naturschutz und macht gesetzte Maßnahmen transparent.“

Sofortige Trendwende nötig
Seit Anfang 2021 regelt das Pariser Klimaschutzabkommen die weltweiten Bemühungen zur Bekämpfung der Klimakrise. Das erklärte Ziel des Abkommens ist es, die globale Erderhitzung im Vergleich zu vorindustriellen Werten möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen sind laut Prognosen des Weltklimarats die Maßnahmen der nächsten zehn Jahre entscheidend, denn ab 2030 unterscheiden sich die berechneten Szenarien der globalen Erderhitzung massiv in ihrem Ergebnis. Die Auswirkungen eines jetzt trägen und zu langsamen Handelns wären enorm – auch für die Wirtschaft.

Grafik verschiedener Klimaszenarien

Unternehmen unter Druck
Große Teile der Wirtschaft sind sich der unumkehrbaren Folgen der Klimakrise und der steigenden Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens sehr bewusst. Auch regulatorische Vorgaben für ein klimafreundliches Handeln nehmen immer mehr zu. Daher steigt auch die Zahl jener Unternehmen, die nicht nur zum Handeln bereit sind, sondern auch ihre bisherigen Anstrengungen intensivieren wollen – ein enormer Hebel bei der Reduktion der CO2-Emissionen. Immerhin lassen sich drei Viertel der österreichischen Emissionen wirtschaftlichen Aktivitäten zuordnen, und so sind Unternehmen neben den politischen Rahmenbedingungen die wichtigsten Verbündeten am Weg zu einer nachhaltigen Emissionsreduktion.

Bei der Dekarbonisierung ihres Kerngeschäfts mangelt es jedoch vielen Wirtschaftstreibenden aktuell noch an Wissen, welche Schritte notwendig sind, um schnell und wirksam zum Erfolg zu kommen. Gleichzeitig werden die mit der Transformation verbundenen Marktchancen und der eigene Einfluss außerhalb der Unternehmensgrenzen systematisch unterschätzt. Dadurch berücksichtigen zu viele unternehmerische Klimastrategien den negativen Fußabdruck nicht in ausreichendem Maß – die notwendige Trendumkehr kommt nicht in Schwung.

NetZero – Zielpfad setzt Rahmen
Das Pariser Abkommen setzt einen klaren Rahmen für Klimastrategien von Unternehmen und erfordert mutiges Handeln von allen agierenden Personen. Ziel ist es, die Treibhausgasemissionen auf nahezu null zu senken und gleichzeitig die Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre sicherzustellen. Der aus der Kyoto-Ära stammende Handel mit C02-Zertifikaten spielt dabei keine Rolle mehr. Für Wirtschaftstreibende und ihre Geschäftspartner bedeutet dies, dass sie ihre Klimastrategien überarbeiten, ihre Eckpfeiler neu konfigurieren und die begleitende Kommunikation anpassen müssen.

Dabei ermöglicht der NetZero-Zielpfad für Unternehmen, auf ihre zentrale Verantwortung zu setzen und Emissionen wissenschaftsbasiert im Einklang mit der 1,5-Grad-Grenze zu reduzieren. Umgerechnet bedeutet dies ein Minus von zirka 90 Prozent der aktuellen Emissionen bis 2050. Begleitet wird dieser ambitionierte Reduktionspfad von zusätzlicher Klimafinanzierung und wirkungsvoller Advocacy-Arbeit.

Praxisnahes Rahmenwerk für machbaren Klimaschutz
Ein Set aus vier essenziellen Bausteinen ermöglicht es Unternehmen den Weg zu einer klimafitten Wirtschaft umfassend anzugehen. Diese Bausteine basieren auf der Science Based Targets Initiative, einer globalen Initiative, getragen von Carbon Disclosure Project (CDP), UN Global Compact, World Resources Institute und dem WWF. Sie wurde nach dem Pariser Klimaschutzabkommen im Jahr 2016 mit dem Ziel gegründet; Unternehmen eine wissenschaftsbasierte Methodik zum Setzen von Klimazielen zur Verfügung zu stellen. Dafür wurden im Rahmen der SBTi wissenschaftsbasierte Methoden erarbeitet sowie ein unabhängiger Validierungsprozess. Zusätzlich werden Best Practice-Beispiele, Guidance-Dokumente und weitere Ressourcen zur Verfügung gestellt.

Infografik Emissionen

NetZero: Mit vier Bausteinen zum wirksamen Klimaschutz für Unternehmen

  • Baustein 1: Transparente Bilanzierung aller Emissionen
    Grundvoraussetzung jeder umfassenden Klimastrategie ist eine transparente und regelmäßige Bilanzierung der Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Dabei unterscheidet man Emissionsquellen, die innerhalb des eigenen Unternehmens anfallen (Scope 1), die im Zusammenhang mit zugekaufter Energie, wie Wärme und Strom, stehen (Scope 2) sowie die Emissionen, die in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette entstehen (Scope 3). Die Regeln des Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) gelten dabei als Marktstandard zur Bilanzierung. Eine transparente Offenlegung der Emissionsdaten erfolgt beispielsweise via Carbon Disclosure Project.

  • Baustein 2: Emissions-Reduktion in Einklang mit SBT NetZero
    Die Berechnung der notwendigen Emissionsreduktionen in Scope 1 bis 3 erfolgt mit den Methoden der Science Based Targets Initiative (SBTi). Ziel ist es, die Emissionen des Unternehmens bis 2050 auf nahezu Null zu bringen. Basierend auf den gesamten Emissionen des Unternehmens (Corporate Carbon Footprint, CCF) erfolgt die Berechnung der Zielpfade mit Hilfe des Methodenkoffers der SBTi. Anschließend werden konkrete Roadmaps erstellt und Maßnahmenpakete geschnürt. Diese definieren den zeitlichen Ablauf und stellen die notwendigen Investitionen dar.

  • Baustein 3: Freiwillige und verpflichtend Investitionen
    Bei der Umstellung auf Netto-Null-Emissionen liegt es in der Verantwortung des Unternehmens, zusätzlich zur Reduktion der Emissionen in Projekte außerhalb der eigenen Wertschöpfungskette zu investieren. Da kein Unternehmen völlig emissionsfrei wirtschaften kann, müssen die verbleibenden Rest-Emissionen nach der Erreichung des langfristigen Emissionsreduktionsziels über Zertifikate ausgeglichen werden, welche die aktive Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre und deren Speicherung repräsentieren und diese auch langfristig sicherstellen. Das können beispielsweise Aufforstungsprojekte sein oder die Renaturierung von zerstörten Ökosystemen.

    Am Weg zum langfristigen Emissionsreduktionsziel sollten Unternehmen freiwillige Investitionen in Klimaschutzprojekte tätigen. Dies erfolgt völlig ohne Anrechnung auf die eigene Emissionsbilanz.

  • Baustein 4: Engagiertes öffentliches Eintreten & Advocacy für Klimaschutz
    Ambitionierte Klimastrategien entfalten ihre volle Hebelwirkung dann, wenn Unternehmen ihre Stimmen für ambitionierten Klimaschutz nutzen und diesen bei Stakeholdern und Entscheidungsträger:innen einfordern.

Unternehmerischer Klimaschutz als Win-Win für alle Beteiligten
Eine wirksame, wissenschaftsbasierte Klimaschutzstrategie hat sowohl für Unternehmen als auch für das Klima zahlreiche Vorteile:

  • Wahre Transformation
    Folgen Wirtschaftreibende den vier Bausteinen, entfalten unternehmerische Klimastrategien ihr volles transformatorisches Potential. Sie dämmen dann die Klimakrise effektiv ein und ebnen den Weg zu einer klimafreundlichen Wirtschaft.

  • Glaubwürdige Kommunikation
    Unternehmerische Klimakommunikation muss präzise und transparent geführt werden, um der Greenwashing-Falle zu entgehen. Ziel ist es, Vertrauen bei den Stakeholdern aufzubauen und eine kreative Dynamik unter Wettbewerbern und Partnern zu erzeugen.

  • Verbesserte Klimafinanzierung
    Durch die Erhöhung des Anteils privater Finanzierung und die Berücksichtigung erweiterter Nachhaltigkeitsindikatoren wächst die Zahl finanzierbarer Projekte für Klima- und Naturschutz. Dadurch können die Herausforderungen von Projekten zu naturbasierten Lösungen besser berücksichtigt und Co-Benefits umfassender realisiert werden.

  • Nutzung bisheriger Infrastruktur
    Bestehende Methoden, Monitoring- und Zertifizierungssysteme – aufgebaut für die freiwilligen Kohlenstoffmärkte der Kyoto-Ära – können weiterhin genutzt werden, um qualitativ hochwertige Projekte zu definieren und wirkungsorientierte Finanzierung zu unterstützen.

  • Stärkung Pariser Abkommen
    Durch das Instrument der Corresponding Adjustments und/oder der Spende von Emissionsminderungen an die Projektländer können die Qualität und Ambition bestehender NDCs (nationally determined contributions = national festgelegte Beiträge) verbessert und das Pariser Abkommen gestärkt werden.

Erfolg der Methode spricht für sich
Bereits mehr als 4.500 Unternehmen arbeiten mit dem praxisnahen Methodenset der SBTi. Darunter sind große Konzerne, aber auch zahlreiche Klein- und Mittelbetriebe – und natürlich auch österreichische Unternehmen.

Infografik Emissionen

Eine wissenschaftsbasierte, wirksame Klimastrategie für Unternehmen:

  • reduziert Emissionen in der gesamten Wertschöpfungskette entlang eines 1,5 Grad-konformen Reduktionspfads mit NetZero-Ziel bis spätestens 2050
  • bepreist zusätzlich die verbleibenden Emissionen intern und investiert das daraus resultierende Budget in Projekte mit maximalem Nutzen für Klima, Natur und Menschen
  • erkennt den regulatorischen Paradigmenwechsel vom ersten, noch lückenhaften Weltklimaabkommen (Kyoto-Protokoll) zu dem seit 2021 gültigen, viel umfassenderen Pariser Klimaabkommen an
  • tritt bei zentralen Interessensgruppen – insbesondere Geschäftspartner:innen, Kund:innen, Verbänden und Politik – engagiert für die Transformation zu einer Wirtschaft und Gesellschaft mit Netto-Null-Emissionen ein
  • kommuniziert anstelle zweifelhafter Slogans transparent konkrete Ziele und Maßnahmen