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Chancengleichheit

Interview
„Gewachsene Systeme aufbrechen und neu denken“
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Maria Ziller ist Head of Human Ressources (HR) in der Green Tech Company Salzburg AG. Das Unternehmen ist mit 2.700 Mitarbeiter:innen im Energie-, Telekom- und Verkehrsbereich tätig. Neben den konzernweiten HR–Agenden leitet Maria Ziller auch das Diversity-Programm #DIEzukunft im Unternehmen.

„Es ist wichtig, dass viele Unternehmen Diversität unterstützen. Es gilt, viele Stereotypen aufzubrechen und einzelne Personen zu stärken.“

Jede:r Einzelne hat bei uns gleiche Chancen, heißt es beim größten Salzburger Energie-Anbieter. Im Gespräch mit Maria Ziller, Head of Human Ressources der Salzburg AG.

Stand: Februar 2023

Frau Ziller, welchen Stellenwert hat Chancengleichheit bei der Salzburg AG?
Wir haben dazu einen direkten Auftrag von unserer Vorständin Brigitte Bach bekommen. Sie ist seit Anfang 2021 bei uns im Vorstand, und es ist ihr gleich aufgefallen, dass wir in diesem Bereich Luft nach oben haben. Daher haben wir ein Programm zu Diversity und Chancengleichheit ins Leben gerufen, bei dem wir in den ersten beiden Jahren einen ganz großen Schwerpunkt auf das Thema Gender Diversity gesetzt haben. Wobei wir uns zuerst auf binäre Geschlechter fokussiert haben. Nun wollen wir auch LGBTQIA+ (Anmerkung: steht für: Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender, Queer, Intersexual und Asexual) in unser Programm integrieren.

Wie sieht dieses Programm konkret aus?
In den ersten beiden Jahren haben wir fünf verschiedene Schwerpunkte gesetzt. Erstens: ein attraktives Arbeitsumfeld für Familien und Frauen, zu dem auch das Führen in Teilzeit, Kinder- und Ferienbetreuung, aber auch ein flexibles Arbeitsausmaß gehören. Zweitens: Personalentwicklung mit einem Schwerpunkt auf Frauen, für das wir Mentoring-Programme ausgeweitet haben und Trainingsangebote machen, und bei dem wir Karriere- und Talentmanagement für Frauen noch stärker ausbauen wollen. Drittens: Frauen in der Technik – das ist uns wirklich wichtig, weil wir sehr technisch geprägt sind. Wir wollen den Frauenanteil im Technik-Umfeld steigern. Eine wichtige Maßnahme ist dabei, Frauen als Rolemodels vor den Vorhang zu holen. Dazu gehört auch, Mädchen anzusprechen, um sie für Technik zu interessieren.

Kurze Zwischenfrage: Wie hoch ist der Frauenanteil und um welche technischen Berufe geht es da?
Wir haben aktuell bei insgesamt 2.700 Mitarbeiter:innen im Konzern einen Frauenanteil von 20 Prozent, der durch das Programm in den vergangenen zwei Jahren schon gesteigert werden konnte. Wir haben im vergangenen Jahr 30 Prozent Frauen eingestellt. In Führungspositionen haben wir elf Prozent Frauen, da lag der Anteil vor Programmbeginn bei nur fünf Prozent. Wir haben den Anteil verdoppelt und für die nächsten Jahre noch viel vor. Bei den Technikerinnen halten wir bei rund sieben Prozent. In sehr operativen, technischen Jobs wie etwa Kraftwerkstechniker:in haben wir leider nur ganz wenige Frauen.

2 Mädchen bei handwerklicher Arbeit.
Salzburg AG Leopold

Technische Berufe sind weiterhin eine Männerdomäne: Bei der Berufswahl entscheiden sich viele Mädchen gegen Jobs im Technikbereich.

Drei Schwerpunkte haben wir schon, jetzt fehlen noch zwei, welche sind das?
Der vierte Schwerpunkt ist Monitoring und Diversity Management . Dabei geht es um eine kontinuierliche Beobachtung und ein Ableiten von Maßnahmen. Seit einem Jahr haben wir auch ein Diversity Dashboard. Wir haben die Gender Rate laufend im Blick und Kennzahlen wie etwa Karenzzeiten, Führen in Teilzeit oder unsere Key Experts eingeführt – und wir haben Guidelines für Chancengleichheit entwickelt, damit man das Thema auch sprechbar macht, wie wir miteinander umgehen.

Und der fünfte Schwerpunkt?
Da geht es um Vernetzung und Kommunikation. Wir haben sofort zu Programmbeginn die gendergerechte Sprache mit dem Doppelpunkt eingeführt. Außerdem gibt es unterschiedliche Vernetzungs- und Veranstaltungsangebote und wir machen regelmäßig Podcasts. Beim Employer Branding haben wir in einer Kampagne bewusst Technikerinnen in den Vordergrund gestellt.  Und in unserem Imagevideo sind nur Frauen sichtbar.

Wie kommt das bei den Männern im Konzern an?
Manche haben sich da schon ausgeschlossen gefühlt, und wir haben gemerkt, dass auch Ängste entstehen. Das ist bei Vätern häufig anders, weil viele Maßnahmen sie und ihre Familien unterstützen. Wir haben diskutiert, wie wir unser Programm weiterentwickeln wollen. Und das Resultat war: Wir sind nun bereit, weitere Diversitätsdimensionen neben Gender Diversity voranzutreiben: Unterschiedliche Herkunft und Kulturen, unterschiedliches Alter, unterschiedliche Geschlechter. Wir wollen niemanden ausschließen, sondern miteinander Diversität Raum und Wertschätzung geben.

Was ist aktuell für 2023 zum Thema Chancengleichheit in Planung?
Wir arbeiten mit Hochdruck an der Umsetzung einer eigenen betrieblichen Kinderbetreuung. Wir wollen für unsere Mitarbeiter:innen ab dem Jahr 2024 insgesamt 70 Plätze für Kinder ab einem Jahr bis zum Schulalter anbieten. Ein zweites großes Thema ist: Wo wollen wir mit dem Frauenanteil hin? Das Ziel ist es, dass wir den Anteil jedes Jahr um ein Prozent steigern. Wir haben aber gesehen, dass wir schon viel attraktiver für Frauen geworden sind, es gibt deutlich mehr Bewerbungen. Wir haben zudem mit Bias-Trainings bei der obersten Management-Ebene und im Human Ressources-Bereich begonnen und werden das jetzt auch bei unseren Führungskräften fortsetzen. Es geht darum, kontinuierlich mit dem Thema präsent zu sein und Bewusstseinsbildung zu schaffen. Als weitere Maßnahme bauen wir gerade ein neues Talent- und Karrieremanagement-Programm auf, um unsere eigenen Talente zu fördern. Wir öffnen unser Programm für weitere Diversitätsdimensionen.

Wie kann man Gender Balance im Unternehmen gut umsetzen? Gibt es dafür ein konkretes Erfolgsbeispiel?
Ja, wir haben akademische MINT-Trainees gesucht und wollten für diese 20 Plätze Gender Balance erreichen. Das ist uns tatsächlich gelungen, weil wir die Trainee Positionen international ausgeschrieben haben und damit tatsächlich zehn Frauen und zehn Männer aufnehmen konnten. Gleichzeitig haben wir damit auch unterschiedliche Kulturen und weltoffene Personen ins Unternehmen geholt.

Wie ist Ihre Einschätzung der Energiebranche, wenn es um Chancengleichheit geht?
Unsere Branche ist sehr technikgetrieben. In der Elektrotechnik und im Maschinenbau gibt es einfach ganz wenig Frauen. In der Bautechnik und in der IT ist es eine Spur besser. Es ist wichtig, dass viele Unternehmen Diversität unterstützen. Es gilt, viele Stereotypen aufzubrechen und einzelne Personen zu stärken.

Was müsste dafür passieren?
So wie Techniker:innen aktuell dargestellt sind – da sind Stereotypen noch sehr weit verbreitet. Da arbeiten wir mit Bildern und Kampagnen ganz stark dagegen. Auch die gendergerechte Sprache ist sehr wichtig. Ich glaube, man muss schon bei den ganz jungen Mädchen ansetzen und dafür sorgen, dass sie positive Erfahrungen und Berührungspunkte mit der Technik haben. Wir haben im vergangenen Jahr einen „Exploration Day for girls“ veranstaltet. Aber wir müssen auch die Eltern erreichen, weil sie bei der Berufsauswahl und Ausbildung ihrer Kinder eine sehr große Rolle spielen. Es gab dazu auch Beiträge in unserem TV-Sender. Und auch bei den Schulen und Lehrer:innen müssen wir ansetzen.

Jetzt ist Brigitte Bach seit zwei Jahren Vorständin der Salzburg AG, unseres Wissens nach die einzige Frau im Vorstand in der österreichischen Energiebranche. Hat das ausgestrahlt oder was war die Wirkung?
Man verbindet jetzt die Salzburg AG mit Frauen und Chancengleichheit. Es gibt bereits Frauen, die sich bewerben, weil sie davon gehört haben und weil sie als Technikerinnen die Energiewende vorantreiben wollen. Brigitte Bach ist das zentrale Rolemodel für uns – als Leaderin und als Technikerin – das hat eine große Strahlkraft. In vielen Interviews und Beiträgen wird über unser Engagement zur Chancengleichheit berichtet. Wir hätten auch nicht so viele Maßnahmen setzen können, wenn wir nicht von ihr den Auftrag und den Rückhalt bekommen hätten.

4 junge Mädchen am "Exploration Day for girls".
© Salzburg AG Leopold

„Exploration Day for girls“: Mädchen sollen mit unterschiedlichsten Initiativen schon früh für technische Berufe begeistert werden.

Das heißt, eine Frau im Vorstand ist schon sehr hilfreich?
Ja, im Vorstand haben wir damit die Gender Balance perfekt umgesetzt (lacht), aber es geht jetzt darum, sie auch in den unteren Ebenen zu steigern. Wenn das Top-Management Chancengleichheit und Diversität forciert, ist es auch leichter, gewachsene Systeme aufzubrechen und neu zu denken.

Was kann eine HR-Chefin tun?
Ich achte wirklich sehr auf die gendergerechte Sprache. Es kommt darauf an, wie man die Dinge vorlebt – im Gespräch, in Unterlagen, in der Bildsprache. Mit den Bildern, die wir zeigen, können wir viel bewirken. Ich bin auch Projektleiterin für unser Diversity- und Chancengleichheit Programm, und es steckt auch mein Herzblut in dem Thema. Ich bin überzeugt, dass diverse Teams besser zusammenarbeiten und bessere Produkte für unsere Kund:innen anbieten können. Wir haben in diesen zwei Jahren extrem viele Maßnahmen als Team umgesetzt, auch sehr viele kleine Dinge verändert. Das heißt, es ist eine ständige Weiterentwicklung. Wir machen sicher nicht alles richtig. Aber wir gehen kleine wie große Dinge an, wir probieren aus, und wir haben alles intern selbst entwickelt. Schön ist, dass es jetzt sehr viele Mitarbeiter:innen gibt, die mitmachen und mitgestalten wollen.

Wie sehen Ihre weiteren Diversity Bestrebungen aus?
Wir haben vor, wieder mehr Fokus auf Menschen mit Behinderungen zu setzen. Wir wollen Führungskräfte und Teams begleiten, damit wir die optimalen Rahmenbedingungen schaffen, um Menschen mit Behinderungen zu stärken. Auch unterschiedliche Kulturen wollen wir aktiv begleiten. Wie immer helfen Bewusstseinsbildung und der Austausch, um ein gutes Miteinander aktiv zu fördern. Wenn wir uns mit Diversity beschäftigen, geht es immer um Wertschätzung von Vielfalt und von Menschen. Wir wollen als Unternehmen so bunt sein wie die Gesellschaft.