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Chancengleichheit

Interview
„Diversität ist bei uns ein Riesenthema“
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Rupert Schindler ist Chief Information Officer des Energie Steiermark-Konzerns. Arbeitsschwerpunkt ist die Umsetzung der Digitalisierungs-strategie des Konzerns bei gleichzeitiger Sicherstellung der hohen Verfügbarkeits- und Sicherheits-anforderungen eines Energieversorgers. Seine besonderen Interessen liegen auf Leadership Themen im Kontext von Digitalisierung, der Verbindung von traditioneller IT mit neuen Technologien und Arbeitsweisen sowie Nachhaltigkeit in der IT.

Nina Wildberger ist Geschäftsführerin der ibiola Mobility Solutions GmbH. Das Unternehmen entwickelt skalierbare Softwarelösungen für betriebliche und öffentliche nachhaltige Mobilität. Als weibliche Führungskraft liegt ihr Fokus neben dem fachlichen Schwerpunkt auf einer aktiven Mitgestaltung einer von Diversität geprägten Unternehmenskultur. Insbesondere möchte sie im Sinne des Female Empowerments Frauen ermutigen, ihren Weg zu gehen und eine nachhaltige Veränderung in der Gesellschaft zu bewirken.

Chancengleichheit ist ihnen ein großes Anliegen: Im Gespräch mit Rupert Schindler, seit 2018 Chief Information Officer der Energie Steiermark, und Nina Wildberger, Geschäftsführerin beim Tochterunternehmen ibiola Mobility Solutions.

Stand: Februar 2023

Herr Schindler, die Arbeitgeber-Attraktivität der Energie Steiermark ist hoch: Die Auszeichnung „Top Company 2023“ auf der Bewertungsplattform kununu und Platz 4 im Ranking der Zeitschrift Trend der besten Arbeitgeber Österreichs 2022 bestätigen dies. Aber welche Rolle spielt Chancengleichheit in Ihrem Unternehmen?
Rupert Schindler: Wir sprechen bei uns von Chancengerechtigkeit – und das ist ganz klar ein wichtiges strategisches Ziel. Wir wollen bis 2025 bei den Führungskräften einen Frauenanteil von 25 Prozent erreichen. Seit 2017 werden dazu aktiv Maßnahmen gesetzt. Es gibt aktuell bei uns das Programm E-Frauen, viele meiner Kolleginnen nehmen da teil. Das ist ein sehr intensives Programm, um Frauen zu motivieren, neue Rollen zu übernehmen. Um unsere Förderung von Frauenkarrieren und Maßnahmen noch mehr sichtbar zu machen, bewerben wir uns gerade für das Gütesiegel equalitA, das vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) vergeben wird. Wir haben auch einen Gender- und Equality-Plan in Erstellung. Unser Vorstand treibt diese Entwicklung stark voran.

Frau Wildberger, Sie haben ja das interne Programm E-Frauen absolviert, wie sehen Sie aus dieser Perspektive heraus das Thema Chancengleichheit?
Nina Wildberger: Das Programm E-Frauen ist ein Karriereförderungsprogramm, dazu wird man einerseits von Abteilungsleitern beziehungsweise Vorgesetzten nominiert und kann sich andererseits auch selbst bewerben, um Frauen mehr Sichtbarkeit zu verleihen und um sie proaktiv für Führungsrollen zu motivieren. Denn es ist Tatsache, dass Frauen bei Bewerbungen oft zurückhaltender sind, obwohl sie alle Voraussetzungen dafür erfüllen würden.

Woran machen Sie diese „Zurückhaltung“ fest? Welche Gründe sind dafür ausschlaggebend?
Wildberger: Hier sind ein veraltetes Rollenverständnis und der Hang zu übertriebener Selbstkritik oft hinderlich. Das Programm begleitet Frauen jedenfalls dabei, den eigenen Wert und den großen Gestaltungsfreiraum, den sie haben, zu erkennen und mutiger die Unternehmenskultur in einer Führungsrolle mitzugestalten. Ich habe am Programm teilgenommen und werde in einem weiteren, vom Unternehmen unterstützen Schritt einen Lehrgang für Aufsichtsrätinnen absolvieren. Es ist schön, dass bei uns alle Führungskräfte stark dahinterstehen und Frauen auch wirklich motivieren, sich dafür zu bewerben. Ich finde, das Commitment des Managements und das E-Frauen-Programm haben bereits einiges bei uns verändert – das spiegelt sich auch in den Zahlen wider.

Wie hoch ist der Frauenanteil denn derzeit im Unternehmen und in der IT und gab es Maßnahmen, um den Frauenanteil zu heben?
Schindler: Bei mir in der IT liegt der Frauenanteil bei 25 Prozent – oder in absoluten Zahlen 25 von 100 Personen. Bei den Führungskräften liegen wir derzeit bei nur 15 Prozent, das liegt sehr stark an der Demographie. Seit 2018 habe ich eine Fraueneinstellungsquote von 36 Prozent. Führungspositionen mit Frauen zu besetzen ist aber eine Herausforderung: es gibt viele junge, vielversprechende Talente, aber die Anzahl erfahrener Kolleginnen ist beschränkt.

Frauen unterhalten sich am Tisch.
© Energie Steiermark

Mit Taten statt Worten: Die Energie Steiermark unterstützt Frauen aktiv auf ihrem Karriereweg – bis 2025 soll der Frauenanteil bei den Führungskräften im Unternehmen auf 25 Prozent steigen.


Woran liegt das?

Schindler: Das hat auch ein wenig mit unserer Historie zu tun. Ab dem Jahr 2000 wurden nur noch wenige neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgenommen, aber seit 2017 rekrutieren wir wieder sehr stark. Zur Frage nach den Maßnahmen im Konzern: Eine wesentliche Maßnahme war die Einführung des E-Frauen-Programms, daneben gab es beispielsweise Rolemodel-Kampagnen in den Sozialen Medien, etwa mit unserer Geschäftsführerin von der Service GmbH, die ein echtes Rolemodel ist: Sie hat nach der Geburt ihres zweiten Kindes die Geschäftsführungsrolle in Teilzeit übernommen. Auf Karrieremessen schicken wir nicht nur Männer, sondern auch Kolleginnen. Es kommt aber auch auf die jeweilige Abteilung an. Wir haben Einheiten, wo sehr viele Frauen sind, wie die Service GmbH. Wo wir wirklich Probleme haben, das ist in den klassischen technischen Berufen, etwa Elektromonteur:in, Elektrotechniker:in oder auch Software-Entwickler:in.
Wildberger: Ich habe beispielsweise Software-Entwickler:innen gesucht. Bei den Bewerbungen lag der Frauenanteil dann bei fünf Prozent. Da ist sicher noch einiges an Basis-Arbeit in den Schulen notwendig, um mehr Mädchen für diese Berufe zu interessieren. Wir bieten den Frauen innerhalb des Konzerns zudem gezielte Qualifizierungsprogramme und auch Mentoring wird angeboten.

„Das Commitment des Managements und das E-Frauen-Programm haben bereits einiges bei uns
verändert – das spiegelt sich auch in den Zahlen wider.“
Nina Wildberger, Geschäftsführerin ibiola Mobility Solutions

Was ist heuer an konkreten Aktivitäten geplant, um die Förderung von Frauenkarrieren voranzutreiben, Stichwort Mangelberufe?
Schindler: Wir wollen in Zusammenarbeit mit dem AMS versuchen, gezielt Quereinsteigerinnen zu motivieren. Aber was generell ganz wichtig ist, im Sinne der Chancengerechtigkeit, ist ein gutes Angebot für Kinderbetreuung. Wir bieten Kindergarten-Plätze und für die Familien die Möglichkeit, dass beide Partner gut arbeiten können. Es wird speziell darauf geachtet, dass Frauen nach der Karenz wieder in ihren Job zurückkehren können – auch in Führungsjobs.
Wildberger: Ein großes Thema ist Führung in Teilzeit. Bei uns wird das im E-Frauen-Führungskräfteprogramm konkret forciert. Da sind jetzt tolle, junge Frauen dabei, die aber einfach im Moment nur in Teilzeit arbeiten können. Gleichzeitig gibt es die Möglichkeit für einen Papa-Monat und Väter-Karenz, damit auch in der Kinderbetreuung zu Hause mehr Equality herrscht. Wir merken, dass das auch immer mehr von den jungen Kollegen in Anspruch nehmen.

Jetzt ist die Energiebranche doch noch sehr männerdominiert. Wie schätzen Sie die Entwicklung und die Bereitschaft für Chancengerechtigkeit ein?
Wildberger: Ich habe das Gefühl, dass eine Aufbruchsstimmung da ist. Wir haben jetzt auch den Aufsichtsrat verstärkt mit Frauen besetzt. Die Branche ist definitiv noch sehr männerlastig, aber ich bin sicher, dass hier eine Veränderung stattfinden wird und auch andere Energieunternehmen entsprechende Maßnahmen setzen. Was ich persönlich merke, ist, dass die proaktive Motivation ganz wichtig ist.
Schindler: Ein Trend ist, dass die IT-Branche in Summe breiter wird, da kommen auch einige neue Rollen und Berufsbilder hinzu, etwa im Bereich erneuerbare Projekte und Fotovoltaik, während im klassischen Netzbetrieb nach wie vor wenige Frauen sind – aber es gibt auch hier welche. Um noch zwei konkrete Beispiele zu bringen: Ich habe eine SAP-Projektleiterin und eine Teamleiterin für den Bereich Smart Meter. Ich glaube, das Thema Nachhaltigkeit ändert die Diversität der Energiebranche. Parallel gibt es neue, attraktive Studienangebote. So wählen etwa viele Mädchen inzwischen gern das Studium „Mobile Software Development“ an der FH Joanneum, mit der wir kooperieren.
Wildberger: Ich denke, man muss einfach schon viel früher in der Schulbildung ansetzen, damit Mädchen sehen, dass IT-Berufe spannend sind. Es wäre wunderbar, wenn es beispielsweise in der Software-Entwicklung in Zukunft mehr Frauen gibt.

Was machen Sie persönlich, um für mehr Chancengerechtigkeit und Diversity zu sorgen? Denn es geht ja dabei auch nicht nur um Frauen…
Wildberger: Mir ist das Thema persönlich sehr wichtig, ich bin jetzt auch selbst Mentorin. Ich finde, es ist ein ganz wichtiger Schritt, dass man auch die jungen Kolleginnen mitnimmt, motiviert und als Vorbild agiert. Und Diversität ist auch ein Riesenthema im Konzern.
Schindler: Ich versuche meinen Bereich in Richtung Modernität und Agilität wenig hierarchisch und mehr gleichberechtigt zu führen. In der IT haben wir ein sehr offenes Klima. Fachliche Themen zählen, ohne Unterscheidungen zwischen Mann und Frau. Diese Atmosphäre zu schaffen, ist klares Ziel für alle IT-Mitarbeiter:innen und Führungskräfte. Ich bin auch selbst Mentor, übrigens auch im Programm zur Förderung von Frauenkarrieren. Unser Problem ist einfach, dass Technikberufe bisher für Frauen nicht so interessant waren – aus welchem Grund auch immer. Aber es gibt positive Entwicklungen, zum Beispiel hatte ich gute Bewerbungen von Mathematikerinnen, die Datenanalyse machen wollen. Gerade bei neuen Rollen schauen wir sehr, dass wir mehr Diversität erreichen. Generell sind faire Prozesse für alle wichtig.

Kaffeetasse vor einem Bildschirm.
© Chris Montgomery auf Unsplash

Bei Chancengleichheit geht es um mehr als die Geschlechter-Gleichstellung – es spielen dabei auch Faktoren wie Alter, Sprache, ethnische Herkunft, Religion oder Behinderung eine Rolle.


Merken Sie noch einen Bias oder gibt es unterschwellige Vorurteile gegenüber Frauen- und Diversity Themen?

Wildberger: Ich persönlich merke da nicht viel davon, aber das ist sicher auch ein Generationenthema. Die junge Generation hat da auch schon ein anderes Selbstverständnis. Viele ältere männliche Kollegen haben auch erkannt, dass Diversity im alltäglichen Doing sehr positive Auswirkungen mit sich bringt.
Schindler: Das Thema Diversity und Gleichstellung ist sicher noch nicht gegessen. Aber die Herausforderung liegt heute eher im Thema Internationalität, etwa in punkto Einstellungen zu Kolleg:innen aus dem Ausland. Es hängt auch ein wenig mit der Sprache zusammen: Wir sind ja ein regionales, steirisches Energieunternehmen, unsere Sprache ist Deutsch und vieles ist auch nur auf Deutsch dokumentiert.

„Ich glaube, das Thema Nachhaltigkeit ändert die Diversität der Energiebranche. Parallel dazu gibt es neue, attraktive Studienangebote.“ Rupert Schindler, CIO Energie Steiermark AG

Jetzt geht es bei Gleichberechtigung, wie Sie auch gerade erwähnt haben, nicht nur um Frauen, gibt es im Unternehmen auch Maßnahmen für Menschen mit Behinderung?
Schindler: Ja, wir arbeiten auch stark an der Sensibilisierung im Umgang von Menschen mit Behinderung, da gibt es auch eine Kooperation mit dem Odilien-Institut in Graz. Wir haben auch Kolleg:innen, die da bei uns sehr gut integriert werden, etwa mit behindertenfreundlicher Arbeitsplatzausstattung. Wir haben dahingehend auch eine Kooperation mit MyAbility und unser Vorstand steht hier persönlich sehr stark dahinter.
Wildberger: In unserer internen Fortbildung gibt es außerdem eine eigene Seminarreihe zu Diversität und Inklusion.

Stichwort 50 Plus: Wie gehen Sie bei Bewerbungen mit dem Alter der Interessent:innen um?
Schindler: Bei uns in der IT gibt es da gar keine Diskriminierung, was das Alter betrifft. Ich habe beispielsweise gerade einen Datenbank-Administrator eingestellt, der 55 Jahre alt ist.

Letzte Frage: Was würden Sie sich in punkto Chancengleichkeit mit Blickrichtung 2025 und darüber hinaus wünschen?
Wildberger: Ich würde mir wünschen, dass wir eine Gleichverteilung, also 50:50 Männer und Frauen, und zwar auch bei Führungsjobs, erreichen.
Schindler: Ich möchte noch eine konkrete Idee ergänzen. Wir wollen künftig stark das Thema Job Rotation forcieren. Ich glaube, wir brauchen noch viel mehr Austausch und Verständnis für die einzelnen Rollen im Unternehmen.